26. Juni 2011

Alle Internetquellen im Anhang dokumentieren?


Eine Studentin fragt entsetzt: "Ist es wahr, dass wir die Internetquellen noch in irgendeiner Form mit dazu geben müssen? Ich habe 4 Seiten Literaturverzeichnis mit Berichten, die teilweise 400 Seiten lang sind. Das kann ich ja nicht alles hinten ran hängen."

In der Tat, das wäre Quatsch und ist auch nicht mehr Usus. Es gibt aber ein paar allgemein akzeptierte Wege, wie man trotzdem sinnvoll dokumentiert.

Zunächst ein kurzer Blick darauf, woher die oftmals gehörte Ansage kommt: Internetquellen können sich oftmals schnell verändern. Sie sind dann also in der zitierten Form nicht mehr verfügbar. Und Nachvollziehbarkeit der Quellen gehört ja in wissenschaftlichen  Arbeiten zum "Muss".

Ursprünglich - also in der Steinzeit, als es noch kein Internet gab und stark behaarte Menschen in Höhlen wohnten - war es so, dass Wissenschaftler fast ausschließlich Bücher und Zeitschriften auswerteten, die in Papierform von Verlagen, Bibliotheken und Archiven eingelagert und bei Bedarf verfügbar gemacht wurden. Damit war die "Zitierfähigkeit" formal gesichert. Wenn ein Autor andere Quellen der sogenannten "Grauen Literatur" (oder auch "flüchtigen Literatur") verwenden wollte, etwa ein Flugblatt, in kleinen Auflagen im Selbstverlag gedruckte Schriften oder Arbeitspapiere eines Instituts, interne Firmenunterlagen oder andere unveröffentlichte Dokumente, galt die Regel, dass diese mangels öffentlicher Verfügbarkeit möglichst im Anhang eines Werkes abgedruckt werden sollten. Denn sonst hatte der Leser ja gar keine Chance, die Originalquellen selbst zu sichten. Das wurde nie konsequent durchgehalten, aber es gab immerhin eine besondere Verantwortung des Autors, die nicht über die üblichen Wege verfügbare Literatur (Buchhandel, Bibliotheken, Archive) auszuweisen und z.B. wenigstens Bezugsadressen zu nennen.


In diesem Verständnis ist jede Website "graue Literatur". Im Internet kommt das besondere Problem der Flüchtigkeit hinzu: Websites ändern sich oft schnell. Das beste Beispiel dafür ist die Wikipedia (siehe Blogbeitrag "Quelle Wikipedia - verboten oder erlaubt?") und andere Formen des interaktiven Web 2.0.


Die Langzeitarchivierung von Internetquellen ist ein globales Problem. Es gibt auch kein umfassendes Internet-Archiv, in dem alle einmal publizierten Seiten gespeichert werden (trotz einzelner Archive wie www.archive.org). Viele Internetquellen "verschwinden" einfach sehr plötzlich.


Formal kann man sich im Quellenverzeichnis absichern, indem man einem Nachweis eine Angabe darüber anhängt, wann der Zugriff erfolgte ("Zugriff am 27. Juli 2011 um 15.34 Uhr"). Das hilft dem Leser zwar nicht weiter, wenn die Quelle verschwunden ist, aber zumindest zeigt der Autor, auf welche Version er verweist. 


Hilfreich sind hier PermaLinks, also permanente, dauerhafte Hyperlinks (von permanent und hyperlink). Wikipedia weiß, ein PermaLink
"ist ein dauerhafter Identifikator in Form einer URL. Normale URLs werden oft geändert, so dass darüber abrufbare Inhalte nicht mehr oder nur unter einer anderen Adresse verfügbar sind. Verweise auf diese URL werden entweder zu toten Links oder zeigen plötzlich auf andere Inhalte; bei der Einrichtung eines Permalinks wird dagegen angestrebt, die einmal über ihn referenzierten Inhalte dauerhaft und primär über diese URL verfügbar zu machen."
Gleich das Beispiel dazu: Den Artikel habe ich unter http://de.wikipedia.org/wiki/Permalink abgerufen. Der unten auf der Seite angebotene PermaLink dafür lautet aber http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Permanentlink&oldid=63856327 ("Wikipedia-Permanentlink auf die Version dieses Artikels vom 28. August 2009 um 10:57 Uhr"). Wie man sieht, gibt es bereits Unterschiede zwischen dem Text, der im PermaLink für den 28. August 2009 dargestellt wird, und dem Text zum Zeitpunkt, in dem ich diesen Artikel schreibe. Der tatsächliche PermaLink zur jetzigen Situation ist woanders zu finden, nämlich in der Rubrik "Werkzeuge" unter "Permanenter Link" oder "Seite zitieren": http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Permanentlink&oldid=88401665


Wer also Wikipedia unbedingt zitieren möchte, sollte das ausschließlich mit dem PermaLink und Angabe der Versionsdaten tun. Leider haben nicht alle Websites so komfortable PermaLinks und Zitierhilfen!



Welchen Aufwand man betreiben muss, um - auch für die eigene Recherche und Archivierung - das Wiederauffinden zu sichern, hängt von der Website ab
  • Bei den meisten privaten und Firmen-Seiten (z.B. Nachrichtenportale) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diese sich jederzeit ändern können, eine zitierte URL also schnell mal ins Nichts führen kann. Das gilt ganz besonders für dynamisch erzeugte Seiten, die also nicht statisch sind (klassischer HTML-Text), sondern ständig aktualisiert werden oder erst erzeugt werden, wenn ein User etwas aufruft. Bei vielen kommerziellen Nachrichtenangeboten ist es zudem so, dass Artikel entweder erst frei verfügbar sind und dann in ein passwortgeschütztes Archiv kommen, oder umgekehrt erst in einer Rumpfversion publiziert werden und dann nach einer Frist im Volltext verfügbar gemacht werden.
  • Bei den meisten amtlichen und wissenschaftlichen Dokumentenservern ist dagegen von einer gewissen Ewigkeitsgarantie auszugehen - auch Jahre später sollten Dokumente noch auf derselben Stelle zu finden sein. Aber auch hier sind Änderungen und Verschiebungen nie auszuschließen.
Für sich selbst kann man Websites auf der eigenen Festplatte abspeichern. Hilfreich sind auch Wissensmanagement-Helfer wie Zotero (www.zotero.org), die ein Abbild der Seite speichern. Zumindest könnten Sie einem misstrauischen Gutachter Ihrer Hausarbeit auf Nachfrage beweisen, dass es die Seite einmal gab, wenn sie verschwunden sein sollte.


Für den externen Leser gibt es keine perfekte Lösung. Sie könnten in der Tat alles ausdrucken und Tausende Seiten in den Anhang Ihrer Thesis einfügen, aber das macht kein Mensch. Außer Wissenschaftlern, die richtige Dokumentationsbände publizieren.

21. Juni 2011

Mündliche Quellen: Gespräche, Vorträge, Veranstaltungen

Mehrere Studenten haben zu ihren Beleg- und Abschlussarbeiten den Schreibtisch verlassen und informell recherchiert: Da war der Besuch einer Vortragsveranstaltung, die Teilnahme an einer Diskussionsrunde mit einem Politiker, das Gespräch mit kundigen Kollegen. Ergebnis: Neue Erkenntnisse, neue Fakten, treffende Aussagen. Eigentlich prima. Nun sind sie aber ratlos. Schreibt einer über seine neuen Informationsschätze: "Mein  Problem: sie sind alle mündlich! Wie soll ich so etwas zitieren, geschweige denn als verfügbare Quelle anbieten? Ich bin da gerade unsicher. Gibt es eine generelle Regelung dazu? Ich kann nichts Eindeutiges finden!"

Normalerweise sind solche Quellen formal nicht zitierfähig, da sie nicht ständig verfügbar und daher nicht für den Leser nachprüfbar und nachvollziehbar sind. Aber: Es sind mündliche Primärquellen! Gerade in den Sozialwissenschaften können diese durchaus wichtiges empirisches Material sein.

Die ideale mündliche Quelle wäre zwar ein systematisch vorbereitetes Interview mit einer Verschriftlichung (Transkript), die möglichst auch vom Interviewten autorisiert wird. Das geht hier nun nicht. 
  • Möglichkeit 1: Sie sehen das nur als Hintergrundinformation und zitieren nichts.  Haben Sie Fakten und Argumente gehört, versuchen Sie diese anderswo zu bestätigen und in Ihre sonstigen Recherchen einzubauen.
  • Möglichkeit 2: Sie zitieren, und zwar so präzise wie möglich, wenn Sie direkt und wörtlich zitieren. Notwendig dafür ist eine genaue Mitschrift. Sicherer ist oft (wenn die Mitschrift nicht so genau war) die Paraphrase, also die Umschreibung/Wiederholung des mündlich Gehörten mit etwas anderen Worten, aber so dicht wie möglich am Original. Einzelne, prägnante Aussagen können und sollten Sie aber im Wortlaut nennen (z.B.: Müller bezeichnete die Atomausstiegspolitik der Regierung Merkel als überraschende Wende, sogar "rätselhaft" und "schwer nachvollziehbar").
Im Quellenverzeichnis ist es sinnvoll, solche Quellen unter eine von der übrigen Literatur getrennte Rubrik zu stellen. Zum Beispiel "Mündliche Quellen" oder - wenn es um Gespräche geht - "Persönliche Kommunikation". Nach APA-Zitation etwa:
  • Müller, R. (2011, 21. Juni). Energiepolitik im Wandel. Vortrag bei der Veranstaltung XYZ, Verband Deutscher Energieunternehmen, Haus der Energiewirtschaft, Berlin. [Eigene Mitschrift]
  • Schmitz, J. (2011, 21. Juni). Persönliches Gespräch mit dem Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Energieunternehmen bei der Veranstaltung XYZ, Verband Deutscher Energieunternehmen, Haus der Energiewirtschaft, Berlin. [Eigenes Gesprächsprotokoll]
Im Text zitieren Sie dann einfach Müller (2011) und Schmitz (2011, persönliche Kommunikation).

Vorträge und Diskussionsbeiträge bei einer öffentlichen Veranstaltung dürfen Sie zitieren. Sie benötigen dafür auch keine Autorisierung der Zitate. Allerdings haben Sie eine Sorgfaltspflicht: Sie müssen sich bemühen, so präzise und wortgetreu wie möglich zu notieren, was gesagt wird, und dürfen niemandem etwas in den Mund legen. Erlaubt ist es nur, sinngemäß zu glätten:
  • Statt Originalton: "Meine äh Damen und Herren, was die Regierung, die Regierung Merkel also, da macht, also äh die Atomwende meine ich, also das ist rätselhaft und völlig nachvollziehbar, Entschuldigung, das war ein Versprecher, ich meine natürlich, äh, schwer nachvollziehbar."
  • Geglättete, redigierte Version: "Was die Regierung Merkel da mit der Atomwende macht, das ist rätselhaft und schwer nachvollziehbar."
Etwas anders mit dem Zitierrecht ist es allerdings, wenn für die Veranstaltung vom Veranstalter Regeln aufgestellt wurden wie z.B. die "Chatham House Rules". Diese besagen, dass die Inhalte einer Veranstaltung kommuniziert werden dürfen, aber die Teilnehmer dürfen nicht benannt und auch nicht wörtlich zitiert werden. Die Anonymität der (oft ranghohen) Teilnehmer wird geschützt, damit man untereinander frei sprechen kann, ohne Verantwortung für seine Diskussionsbeiträge übernehmen zu müssen.

Wenn Sie ein persönliches Gespräch am Rande führen, sollten Sie nach allgemeiner Regel entweder (a) dem Gesprächspartner deutlich machen, dass Sie für ein Projekt recherchieren und deshalb mit ihm sprechen (was impliziert, dass Sie das Gesagte verwenden möchten) und/oder (b) Zitate, die Sie verwenden möchten, ihm zur Autorisierung vorlegen.

Hier kommt es aber auch auf den Gesprächspartner an. Ein Politiker oder auch, wie im Beispiel oben, ein Verbandschef (höchster Repräsentant seiner Organisation), ist eine Person des öffentlichen Lebens. Diese Person muss immer damit rechnen, dass ihre Aussagen zitiert werden, z.B.  in den Medien. Hier gibt es bei sachlich-fachlichen und politischen Aussagen, die im öffentlichen Raum gemacht werden, kein Recht auf Privatsphäre (siehe auch Wikipedia: Zulässigkeit von Äußerungen in der Berichterstattung). Wenn Sie eine solche Person ansprechen, dürfen Sie die Äußerungen verwenden -- aber bitte Sorgfaltspflicht wahren.

Anders ist es mit Menschen, die man nicht als Person des öffentlichen Lebens bezeichnen kann. Hier ist es angemessen, um das Einverständnis bzw. die Freigabe von Zitaten zu bitten.

20. Juni 2011

Wie schreibt man den Schlussteil?


Was liest der Gutachter Ihrer Arbeit als erstes? Den Schluss. (Oder die Einleitung und dann sofort danach den Schluss.) Was bei Krimis und dramatischen Werken den Spaß verdirbt, nämlich den Höhepunkt vorwegzunehmen, ist bei wissenschaftlichen Texten zentral: "Entscheidend ist, was hinten rauskommt", wusste schon Altkanzler Helmut Kohl.

Er wollte damals wohl ausdrücken, dass der Weg zum Ergebnis nicht so wichtig ist. Das ist in der Wissenschaft natürlich anders, denn jede Untersuchung muss präzise dokumentiert und nachvollziehbar sein. Was zwischen Einleitung und Schlussteil passiert, bleibt der Kern Ihres Projekts. Trotzdem ist es schlecht, wenn Sie Berge an Material zusammentragen und am Ende unklar ist, was Ihr Ergebnis ist und was das alles bedeutet. Genau darum geht es im Schlussteil: Was ist Ihr Ergebnis? Was bedeutet das alles?

Viele Namen, viele Funktionen
So ein Schlussteil hat unterschiedliche Namen. Manchmal heißt er „Zusammenfassung“ oder „Resümee“, „Fazit“ oder „Konklusion“. Und dann gibt es noch „Schlussbemerkung“ oder „Ausblick“. Damit sind allerdings sehr unterschiedliche Dinge gemeint, was Studenten dann auch verwirrt. 

Eine „Zusammenfassung“ fasst die Ergebnisse zusammen, ein „Ausblick“ hingegen lässt die Ergebnisse hinter sich und blickt darüber hinaus. Ein „Fazit“ oder eine „Konklusion“ zieht Schlüsse aus den Ergebnissen. Hier werden also nicht nur Ergebnisse festgehalten, sondern sie werden bewertet. Wertung ist mehr als Analyse: Hier kommt es stärker auf die Deutung (Kommentierung, Interpretation – was bedeutet das alles?) an. Und die eigene Position oder Meinung kommt zum Ausdruck.

Bei einer reinen Schlussbemerkung und einem Ausblick ist davon auszugehen, dass davor schon die Ergebnisse präsentiert und bewertet wurden.

Ein Schlussteil kann also unterschiedliche Funktionen beinhalten. Wenn ich hier von Schlussteil schreibe, dann meine ich den gesamten Schlussteil. Er umfasst drei Dinge:
  • Die Zusammenfassung der Ergebnisse
  • Die Wertung der Ergebnisse, Schlussfolgerungen
  • Ausblick: „Weiterspinnen“ und offene Fragen
Ein Schlussteil soll also mehr bieten als eine überblicksartige Zusammenfassung der Ergebnisse. Er geht darüber hinaus. Ein "runder" Schluss hat noch ein paar Pointen mehr zu bieten.

Zugleich aber ist er eng verbunden mit der Einleitung und dem "roten Faden" Ihrer Arbeit. Der Schlussteil bezieht sich explizit auf das, was Sie in Ihrer Einleitung als Leitfrage und Ziel der Untersuchung angekündigt haben, und er bindet den "roten Faden" fest.
Die Ergebnisse
Jede Untersuchung braucht ein Ergebnis. Was haben Sie herausgefunden? 

„Das habe ich doch schon im Hauptteil gesagt, wieso soll ich das wiederholen“, könnten Sie jetzt kontern. Ja, gut. Aber fassen Sie das zusammen, knapp und möglichst präzise. Geben Sie einen Überblick – was ist der Kern Ihrer Erkenntnisse?

Gehen Sie die Untersuchungsschritte noch einmal durch. Welche Kernaussagen hat jedes Ihrer Kapitel? Ziehen Sie zu jedem Kapitel ein Fazit. Legen Sie als Maßstab Ihre Einleitung an: Diese hat idealerweise definiert, was die Leitfrage und das Ziel jedes Untersuchungsschritts war. Im Schluss stellen Sie fest, ob Sie das Ziel (oder die Etappenziele) erreicht haben. Was hat jedes Kapitel zur Beantwortung Ihrer Fragestellung beigetragen? Und dann, insgesamt, losgelöst von den einzelnen Kapiteln/Untersuchungsschritten: Was ist die übergreifende Antwort auf Ihre übergreifende Frage?
Machen Sie kein neues Fass auf. Sie beziehen sich ausschließlich auf das, was Sie bereits im Hauptteil herausgefunden haben. Alle Erkenntnisse, Erläuterungen, Belege und Diskussionen gehören in den Hauptteil.
  • Fangen Sie nicht an, etwas Neues zu untersuchen,
  • Führen Sie keine neuen Fakten ein, 
  • präsentieren Sie keine neuen Quellen, 
  • diskutieren Sie keine Dinge, die nicht im Hauptteil stehen. 
  • Nur im absoluten Ausnahmefall sollten Sie Zitate anbringen – es sei denn, das Zitat fand sich schon im Hauptteil und ist so prägnant und treffend, dass Sie es hier unbedingt noch einmal ins Scheinwerferlicht stellen möchten.
In einer Einleitung werden oft Hypothesen aufgestellt, also Annahmen oder Vermutungen. Diese überprüft der Hauptteil. Es kann nun sein, dass Ihre Untersuchungsergebnisse die Annahme widerlegt. Dann ist es völlig in Ordnung (und wichtig), dies genauso zu schreiben. Auch das ist Wissenschaft: Hypothesen aufstellen, testen und verwerfen, wenn sie falsch waren. "Ich bin doch nicht blöd und widerlege mich selbst", könnten Sie sagen. Falsch gedacht: Ihr Gutachter wird das sogar als besonders wissenschaftlich hochwertig ansehen, wenn Sie so vorgehen.

Bewerten der Ergebnisse
Ergebnisse erklären sich nicht immer von selbst. Sie bedürfen einer Deutung, einer Kommentierung, einer Interpretation. Was bedeutet das alles? Was davon ist wichtig, was ist weniger wichtig? Nachdem Sie sich intensiv mit Ihrem Thema auseinander gesetzt haben, sollten Sie das einschätzen können. Anders gesagt: Was haben Sie gelernt?

Sie sollten sich auch mit der Frage befassen, wo die Grenzen Ihrer Ergebnisse sind. Wissenschaftler sprechen gern vom „Gültigkeitsbereich“. Für was und inwiefern sind Ihre Ergebnisse gültig, für was eher nicht? Welche Ergebnisse betreffen nur einen eng umfassten Gültigkeitsbereich? Wie weit darf man von Ihrem konkreten Ergebnis aus verallgemeinern? Hier sollten Sie zeigen, dass Sie differenzieren können und keine Pauschalwahrheiten verbreiten.

Im Verlauf Ihrer Arbeit haben Sie sich mit den Ergebnissen und Thesen anderer Wissenschaftler befasst. Vielleicht stehen Ihre Ergebnisse im Gegensatz dazu. Dann ist hier der Platz, um das pointiert darzulegen. Oder umgekehrt, Sie konnten die Ergebnisse anderer bestätigen. Zeigen Sie, wo Ihre Arbeit im Vergleich zu anderen wissenschaftlichen Arbeiten steht. Als Student sind Sie ja kein Einzelkämpfer, sondern gewissermaßen Mitglied der akademischen Community, Sie nehmen teil am wissenschaftlichen Diskurs über ein Thema. So sieht das auch Ihr Gutachter, also will er wissen, wo Sie sich positionieren. Auf wessen Seite stehen Sie? Oder zumindest: An wessen Ergebnisse finden Sie Anschluss?

Positionieren heißt auch, eine persönliche Stellungnahme abzugeben. Ihr eigenes Urteil, Ihre eigene Meinung ist nicht tabu – im Gegenteil. Im Schlussteil zeigen Sie Ihre Fähigkeit, urteilen zu können, und einen eigenen Standpunkt einzunehmen. Sie dürfen sortieren, gewichten, zuspitzen. Wichtig dabei ist, dass Sie argumentieren, warum Sie etwas so-und-so sehen. Begründen Sie also mit Bezug auf Ihre Untersuchungsergebnisse, wieso Sie zu welchen Schlüssen kommen.

Der Ausblick
Ein Ausblick lässt die Ergebnisse und ihre Bewertung hinter sich. Er blickt auf das, was darin nicht eindeutig enthalten ist. 

Hier dürfen Sie Aussagen darüber machen, wie sich Ihr Thema wohl weiterentwickeln wird und was die Zukunft bringt. Bei aktuellen Themen sollten Sie eine (begründete) Einschätzung liefern, was demnächst wichtig werden könnte, welche Entscheidungen anstehen, was in den nächsten Jahren passiert usw. Sie könnten auch explizit praktische Konsequenzen aufzeigen. Beispiel: Sie haben ein wirtschaftspolitisches Problem untersucht und zeigen auf, was der Gesetzgeber tun könnte, um eine schwierige Situation für mittelständische Unternehmen zu erleichtern.

Der Ausblick kann aber auch die wissenschaftliche Forschung einbeziehen. Zunächst einmal selbstkritisch: Was ist in Ihrer Untersuchung offen geblieben? Welches Puzzle ist noch nicht zusammengesetzt, welches Rätsel ungelöst? Was wissen wir jetzt immer noch nicht? Was konnten Sie nur am Rande aufgreifen oder was haben Sie ganz ignoriert, wäre aber auch interessant? Was würden Sie genauer erforschen, wenn Sie dazu Zeit und Gelegenheit hätten?

Wenn Wissenschaftler einen Ausblick schreiben, geben sie ihren Kollegen so Hinweise für die (gemeinsame) Forschungsagenda: Dies und das wäre noch zu untersuchen, das sollte man sich näher ansehen, hier sind einige Unstimmigkeiten aufgetaucht, die ich mir nicht erklären kann. Dabei kann es auch um Methoden und Arbeitsweisen gehen: Mit der Methode X kommen wir so nicht weiter, wir bräuchten einen Ansatz Y. Die Methode Z hat offensichtlich Probleme, wir könnten das Problem aber so-und-so in den Griff bekommen.

Das klingt vielleicht etwas negativ, weil es um Defizite geht. „Wieso sollte ich am Schluss schreiben, was ich alles nicht weiß?“, mögen Sie fragen. Weil auch das die Qualität wissenschaftlicher Arbeit ausmacht: zu zeigen, dass nicht alles abschließend gesagt ist und gesagt sein kann, und dass wissenschaftliche Neugier – als Suche nach der Wahrheit – unendlich ist. Es gibt immer Aspekte und Quellen, die man sich noch genauer ansehen kann. Präzise zu sagen, wo die Welt noch unklar ist, ist wichtig. 

Ein Student, der das zum Schluss seiner Arbeit tut, entblößt sich nicht, sondern zeigt die Fähigkeit zur Reflexion und zum Weiterdenken (und das ist gut!).

Allerdings: Das ist keine Einladung zum Philosophieren (oder Faseln). Im Ausblick schreiben Sie nicht, was sie sonst schon immer noch sagen wollten. Werden Sie also nicht zu persönlich, halten Sie kritische Distanz zum Thema und denken Sie daran, dass Sie eine wissenschaftliche Arbeit schreiben wollten, keine Parteitagsrede oder ein Gerichtsplädoyer. Gefragt sind weder Ihr allgemeiner Weltschmerz noch aufrüttelnde Appelle an die Weltöffentlichkeit.

12. Juni 2011

Online-Recherche für Rechtsstudenten

"Die Generation der Digital Natives über richtigen Suchmaschineneinsatz zu belehren klingt aussichtslos. Aber es ist nötig", stellt der Frankfurter Juraprofessor Roland Schimmel fest. "Dass Rechtsstudenten in Fragen der Informationsrecherche schlecht oder gar nicht ausgebildet sind, zeigt sich selbst in Abschlussarbeiten noch überraschend oft. Die Schwächen juristischer Prüfungshausarbeiten liegen kaum in schlechter Rechtsrecherche, aber oft in unprofessioneller Faktenrecherche. Am Ende eines juristischen Studiums hat man gelernt, Gesetze und Urteile zu suchen. Fakten zu suchen betrachtet man eher als Aufgabe für Journalisten."
Klassische Übungs- und Prüfungsarbeiten, sagt Schimmel, ersparten den Teilnehmern die Mühe der Informationsbeschaffung. Anders sei es bei Seminar- und Abschlussarbeiten. Wenn die Studenten dabei einem "Quick-and-dirty-Konzept" folgten, halte diese Standardsuche wissenschaftlichen Anforderungen häufig nicht Stand.

Er und sein Kollege Denis Basak kritisieren "unreflektierten Umgang mit Netzressourcen". Sie mahnen an, Recherchen wirklich zu planen. Besonders legen sie Studenten ans Herz, juristische Fachdatenbanken, die Online-Kataloge der Bibliotheken und die vielfältigen Möglichkeiten der Suchmaschinen (und zwar nicht nur Google) zu nutzen -- besser und effizienter.  Wesentlich ist dabei die Überlegung, wofür die Informationen benötigt werden. Daraus ergeben sich oft unterschiedliche Recherche-Strategien.

Neben dem richtigen Suchen ist auch das Überprüfen der Suchergebnisse wichtig. "Vielen Studierenden ist zwar klar, welche gedruckte Literatur zitiert werden kann, und vor allem auch, welche nicht. Bei der Auswertung von Internetquellen fehlt hingegen dieses Gefühl immer noch erstaunlich vielen Studenten", bemängeln die Autoren.

Hier geht es um Fragen der Zitierfähigkeit (z.B. dauerhafte Verfügbarkeit der Quelle) und Zitierwürdigkeit (fachliche Qualität der Inhalte und Seriosität der Quelle). Ein quellenkritischer Blick sei nötig -- zum Beispiel, wenn man Texte von Websites von Anwaltskanzleien oder Lobbygruppen nutzt, die von bestimmten Interessen geleitet sind.
Die Autoren geben den Tipp: "Bleiben Sie möglichst bei Quellen, die Sie kennen und von deren Seriosität Sie absolut überzeugt sind. Finden Sie aber doch entscheidende Informationen auf Websites, die Sie nicht wirklich einschätzen können, dann bewahren Sie sich ein hohes Maß an kritischem Umgang mit Ihren Quellen. Vertrauen Sie diesen Inhalten nicht ungeprüft und machen Sie auch in Ihrer Arbeit deutlich, dass weder die Information noch ihre Quelle unbedingt verlässlich sind."
Die Fachdatenbanken wie Juris, Beck online, LexisNexis-Recht und Legios haben große Vorteile, so die Autoren: Sie bieten leichte Recherchemöglichkeiten, sind recht umfassend und aktuelle, eröffnen den Zugang zu vielen Primärquellen (Gesetzestexten, Urteilen) sowie den Volltextarchiven vieler klassischer Fachzeitschriften und sind uneingeschränkt zitierfähig und zitierwürdig. Dennoch gibt es einige Nachteile (z.B. keine Angaben von Seitenzahlen bei Juris).

Lehrbücher und Monographien, Festschriften und Sammelbände wird man in den Datenbanken allerdings nicht fehlen. In den Fundstellen und Fußnoten wird man Verweise darauf finden, sich die Bücher aber andernorts, in der Regel Bibliotheksregalen, besorgen müssen. Dafür bieten sich dann Online-Kataloge an -- nicht nur einzelner Bibliotheken, sondern auch von Bibliotheksverbünden (Verbundkataloge).

Abfragen in einer allgemeinen Suchmaschine sind für den Rechercheeinstieg in Ordnung. Aber auch hier haben die Autoren einiges zu kritisieren. "Wie man mit einer Suchmaschine umzugehen habe, muss sich heute niemand unter 30 mehr erklären lassen. Sollte man meinen. Stimmt aber nicht ganz. Der faktische Befund ist recht schlicht: Die weit überwiegende Mehrzahl der Nutzer verwendet ausschließlich das Produkt des Marktführers [Google] und benutzt dabei fast nur die einfache Suche." Für wissenschaftliche Suchen reicht das aber nicht aus, da haben die Autoren Recht. Im o.g. Artikel zeigen sie, wie man sinnvoll vorgeht.

In nichtjuristischen Fächern gibt es einige wissenschaftliche Suchmaschinen, die vorrangig wissenschaftliche Texte finden. Aber für rechtswissenschaftliche Themen gibt es bislang keine solchen, mithin weichen Studenten auf Portale und "mehr oder minder gut gepflegte Linksammlungen" aus (z.B. www.abogado.de, www.jurasuche.de, www.jura-lotse.de).

7. Juni 2011

Studentische Hausarbeiten als Quelle? Zitierfähig, aber nicht zitierwürdig

"Ich habe eine interessante Hausarbeit von einem Studenten gefunden. Ist es angebracht, so etwas als Quelle anzugeben?", fragt mich eine Studentin. 

Erst einmal eine Gegenfrage: In der Vorlesung sitzen um Sie lauter Kommilitonen herum. Würden Sie deren Belegarbeiten vom letzten Semester zitieren wollen, wenn Sie eine Fachautorität brauchen?



Also: Eher nicht. Bei unkonventionellen Quellen prüfen Sie stets "Zitierfähigkeit und Zitierwürdigkeit". Das Begriffspärchen steht für wichtige Bedingungen, die eine Quelle erfüllen sollte, bevor sie unter das Dach Ihres Werkes schlüpfen darf.

Die Zitierfähigkeit ist simpel. Es geht hier um die Frage, ob Ihr Leser die von Ihnen genutzte Quelle schnell auffinden kann, um sie selbst zu prüfen. Denn Nachvollziehbarkeit der Argumentation anhand der Quellen ist ein Qualitätsausweis der Wissenschaft. Das ist formale Verfügbarkeit, möglichst eine dauerhafte: Bücher und Zeitschriften stehen in Bibliotheken (und sind prinzipiell per Fernleihe zu haben, auch Abschlussarbeiten) und sind im Buchhandel lieferbar, viele Dokumente sind in wissenschaftlichen Datenbanken abgelegt. Easy. Nicht so einfach ist es, wenn Sie eine Broschüre, ein Flugblatt oder gar interne Vermerke der CIA zitieren. Darum ist man manchmal gezwungen, solche Quellen im Anhang als Volltext/Kopie zu dokumentieren.  

Das Internet hat vieles verfügbar gemacht, was früher nicht so einfach verfügbar war. Dazu gehören auch studentische Hausarbeiten, weil Studenten gern versuchen, mit ihren Seminarleistungen über kommerzielle Hausarbeiten-Plattformen ein paar Euro dazuzuverdienen. Wenn die Arbeit dort eingestellt ist, ist sie formal verfügbar.
  • Fazit 1: Wenn die studentische Hausarbeit dauerhaft verfügbar ist, kann man sie als formal zitierfähig bezeichnen.
Anders sieht es bei der Zitierwürdigkeit aus. Das ist kein rein formales Kriterium. Vielmehr geht es um die inhaltliche Qualität. Ihre Quellen sollten seriös, anspruchsvoll und aktuell sein. Außerdem sind Primärquellen zu bevorzugen. Eine studentische Hausarbeit ist eine Sekundärquelle, möglicherweise dem Charakter nach sogar eine Tertiärquelle, wenn sie sich überwiegend oder ausschließlich mit anderen Sekundärquellen beschäftigt, also z.B. vorrangig wissenschaftliche Literatur über ein Thema auswertet, ohne eigene Forschungsergebnisse zu präsentieren, oder, noch schlimmer, nur Einführungswerke und Lehrbücher heranzieht. Das ist als wissenschaftliche Quelle nicht anspruchsvoll genug. Gute (!) Abschlussarbeiten mit hohem Anspruch darf man in begründeten  Fällen als Quellen heranziehen; die meisten studentischen Hausarbeiten erreichen jedoch in 90% aller Fälle nicht das geforderte Niveau. Zitieren sollten Sie sie also nicht -- es sei denn, es gibt einen sehr guten Grund dafür (z.B., wenn ein studentisches Forschungsprojekt dahintersteckt, bei dem Daten erhoben wurden, eigene Interviews geführt wurden u.a.)
  • Fazit 2: Studentische Hausarbeiten aus einer Lehrveranstaltung gelten in der Regel als nicht zitierwürdig. 
Merke: Studentische Hausarbeiten sind nicht per se schlecht. Im Zuge einer Recherche können Sie Ihnen helfen, interessante Aspekte kennenzulernen. Lesen Sie sie also, achten Sie auf die Bezugsquellen, werten Sie die Bibliographie aus. Holen Sie sich dann aber die wertvollen Quellen dieser Hausarbeit selbst auf den Schreibtisch. Wenn die Studentin oder der Student ordentlich gearbeitet hat, sind die Quellen ja verfügbar.
  • Fazit 3: Nutzen Sie studentische Hausarbeiten vorrangig zur Information, um Ihre eigene Recherche voranzutreiben. 
Studenten machen Fehler, das ist ihr gutes Recht - schließlich sind sie ja Lernende. Seminararbeiten sind Übungsaufgaben, mehr nicht. Wenn Sie im Internet eine studentische Arbeit finden, haben Sie keine Garantie dafür, dass dort kein Unsinn steht. Besonders übel ist es, wenn in der Arbeit Plagiate versteckt sind.

Manchmal ist eine Note angegeben. Das ist aber eine Angabe, die der Anbieter selbst macht. Und wer gibt schon "3,7" für eine Arbeit an, die er verkaufen will? Und selbst wenn es wirklich eine "1,3" war -- wer sagt, dass der Dozent diese Arbeit wirklich genau gelesen hat? Die üblichen Anbieter-Plattformen überprüfen die Arbeiten inhaltlich nicht.
  • Fazit 4: Werten Sie studentische Arbeiten mit besonders kritischem Auge aus. Tappen Sie in keine Falle.